Manfred Wolfhard

Familien- und Ortsgeschichte

Pfarrerskinder 1:Hans Georg, der Bürgermeister


Geburtseintrag des Hans Georg Wolffhart. Wortlaut: "Hans Georg war geborn mitten in der nacht im ausgang des 39. Und eintritt des 40. Jahrs uff Steinsberg, ward getaufft von dem Ehrw. Herrn Johann Wolfgang Rabo, pfarrers uff Ravenspurg am fest Trium Regum u. aus der H. Tauff gehoben von dem wohledelgebornen u. gestr. Johan Georg Erckenbrecht Elsäßischer Linien Ammptmann uff Steinsberg und Herrn Georg Fincken dem älteren Inwohner zu Weiler unnd Steinsberg".




Die Jahre nach der Nördlinger Schlacht (1634) waren für die Bevölkerung Süddeutschlands die schrecklichste Zeit des 30-jährigen Krieges. Frankreich hatte sich in das Kriegsgeschehen eingemischt. Truppen unterschiedlichster Armeen verwüsteten abwechselnd, was es noch zu verwüsten gab. Die Familie des Dührener Pfarrers Georg Johann Wolffhart hielt sich meist auf der Burg Steinsberg oder in Sinsheim auf. Von diesen leidlich sicheren Plätzen aus unternahm der Pfarrer seine seelsorgerlichen Gänge in die Dörfer des Kraichgaus, immer auf der Hut vor umherstreifenden Landsknechten oder vor entwurzelten Banden. Auf dem Steinsberg gebar seine Frau Anna am Jahreswechsel 1639/40 den ersten Sohn des Ehepaars: Hans Georg.

!In den letzten acht Kriegs-jahren erlebte der kleine Hans Georg die Schrecken des Krieges im Schutz seiner Eltern. Sicher konnte in jenen Jahren niemand sein. Doch war die Pfarrfamilie in den Mauern der Burg Steinsberg besser aufgehoben als in dem ungeschützten Dühren, wo das „Pestilenzgässchen“ und „Lärmlöcher“ (=Ver-stecke und Zufluchtsstätten) noch lange an die Schreckenszeit erinnerten. Die Bausubstanz des Dorfes scheint bei Kriegsende noch recht gut gewesen zu sein, wenn auch in einem Haus nach Rückkehr der Flüchtlinge ein mächtiger Holderbusch gewachsen war. Trotz Dezimierung der Bevölkerung, trotz anhaltendem Mangel, trotz Verwahrlosung der Feldflur machten sich die Einwohner an den Wiederaufbau. Wann die Pfarrfamilie wieder ins Dorf zurückgekehrt ist, ist nicht überliefert.

Heiratseintrag von Hans Georg und Anna Hägi. Wortlaut: "Hat sich in den H. Ehestandt begeben Anno 1657 unnd sich verlobt mit Anna Haginn, weilandt des Ersamen u. achtbarn Conradt Hagi Bürger und Innwohnern zu Ertzlingen im Schweitzer Land, Zürcher Herrschafft Ehelich Tochter und Veronica ihre Mutter, hat mit selbiger zeügt nach folgend Kinder"

Bei seiner Eheschließung am 1. Juni 1657 war Hans Georg gerade mal 17½ Jahre alt, für damalige Verhältnisse sicher sehr jung für eine Heirat. Anna Hägi war am 09. Oktober 1636 in Kappel als fünftes von 14 Kindern geboren. Eltern waren Hans Cunrad Hägi und Vronegg (Veronica) geb. Strebel. Bei der Hochzeit war Anna Hägi 20 Jahre alt.


Der Weiler Uerzlikon, Heimat der Hägi-Familie, gehört zur Gemeinde Kappel im Kanton Zürich. In Kappel selbst befindet sich das einst mächtige Zisterzien-serkloster, gegründet 1185, reformiert 1527. Unweit des Klosters fand 1529 der berühmte Suppenkrieg statt, und 1531 kam in einer blutigen Neuauflage des Krieges Ulrich Zwingli ums Leben. Schon 1529 waren die Täufer als eine streng bibelgläubige Gruppe den Züricher Reformierten zu einem Problem geworden. Sie lehnten die Kindertaufe ab, befolgten eine strikte neutestamentliche Moral bis hin zur Gütergemeinschaft und mieden Alkohol. So zogen sie die Verfolgung durch die herrschende Religion auf sich. In hundert Jahren Druck und Verfolgung versuchte Zürich, die Täufer zur reformierten Kirche zu zwingen. Die rigorose Verfolgung, und die erzwungene Kindertaufe sowie der Zwang zum Besuch des reformierten Gottesdienstes verbunden mit einer Volkszählung 1626 führten zu einer Auswanderungswelle. Viele Täuferfamilien kamen über das Elsass in die süddeutschen Gebiete, die durch 30 Jahre Krieg stark entvölkert waren. In den Kurpfälzischen Orten des Kraichgaus fanden sie Aufnahme. Durch Fleiß und Verlässlichkeit brachten sie es zu Wohlstand und Ansehen, führten auch neue Agrartechniken ein. Langsam konnten sie auch in ritterschaftlichen Orten Fuß fassen.

Wann die Familie Hägi nach Dühren kam, lässt sich nach den bisher bekannten Quellen nicht feststellen. Einige Hägis und sicher auch Anna sind zum lutherischen Protestantismus übergetreten, denn anders hätte Georg Johann der Eheschließung seines Sohnes am 1. Juni 1657 nicht zugestimmt. 

Sophia Margaretha ist das erste Kind des jungen Ehepaars. Das Geburtsdatum ist im Liber animarum mit dem 10. Dezember 1659 angegeben. Damit liegt ihr angegebenes Geburtsdatum später als das Geburtsdatum des zweiten Kindes, der Anna Margaretha, die am 18.April 1659 das Licht der Welt erblickte. Vergleicht man die Schreibweise der beiden Jahreszahlen, dann lässt sich eine Manipulation bei der Neun nicht ausschließen.


Geburtseintrag der beiden ersten Kinder von Anna und Hans Georg.

Beiden Mädchen war nur ein kurzes Leben beschieden. Kaum hatten sie das Jugendalter überschritten sind sie gestorben: Sophia Margaretha mit 17 Jahren am 6. März 1675. Ob ihr Tod im Zusammenhang mit den Kriegsereignissen 1674 steht, ist nicht überliefert. Anna Margaretha starb zwei Jahre nach ihrer Hochzeit mit Hans Georg Bender am 03. April 1679, gerade mal 20 Jahre alt. Auch Philipp (*3.Mai 1665) starb schon mit 19 Jahren (19.Juli 1684), während die Mädchen Anna Maria (*1666) und Ursula Anna Maria (*1670) nur etwa ein Jahr alt wurden.

Von den zehn Kindern des Hans Georg Wolffhart und der Anna Hägi erreichten sechs das Erwachsenenalter. Hier eine Übersicht über die Kinder:

22.12.1657 Sophia Margaretha †06.03.1675, 17 Jahre

16.04.1659 Anna Margaretha, ∞1676 Hans Georg Bender, †03.04.1679  

15.09.1660 Agathe, ∞15.02.1681 Michael von Kenne, Steinsfurt, † .1716

10.02.1662 Alexander, ∞18.08.1685 Maria Rößler (Täuferstochter), †25.09.1707

09.10.1663 Anna Catharina, ∞17.05.1681 Jost Schwab aus Sinsheim, wandern ca. 1720 nach Pennsylvanien aus. † …

03.05.1665 Philipp, bei Philipps Taufe stand u.a. sein Onkel Alexander Rudolf Pate, der damals im württembergischen Neuenbürg Vikar war. † 19.07.1684

10.08.1666 Anna Maria, †04.08.1667                                                            

28.11.1667 Georg Heinerich, ∞16.02.1691 Dorothea Nahum, † nach 1707 

02.07.1670 Ursula Anna Maria † 23.11.1671

19.09.1671 Maria Catharina, ∞1. 04.03.1690 Johann Jacob Rößler (ehem. Täufer) ∞2. Hans Leonhard Pfoh am 28.08.1712, †19.09.1743

Sterbeeintrag der Anna Wolffhardt, geb. Hägi.

Nach zehn Schwangerschaften und Geburten überstand Anna Wolffhart die elfte Niederkunft nicht mehr. Sie starb 1673 mit dem Kind, das geboren werden sollte. Den Tod ihrer beiden ältesten Töchter und ihres Sohnes Philipp musste sie nicht mehr erleben.

Hans Georg Wolffhart war mit Sicherheit ein tatkräftiger und zupackender Mann. 1669 begleitete er seine Schwester Anna Dorothea nach Althausen bei Mergentheim, da sie den Hans Melchior Brenz von dort geheiratet hatte. Diese Reise – ungefähr 80 km - erfolgte wahrscheinlich mit Gepäck zu Fuß und machte mindestens eine Übernachtung notwendig. Ein nicht ungefährliches Unternehmen,

 denn die Straßenverhältnisse waren katastrophal. Außerdem herrschten nicht gerade optimale Sicherheitsbedingungen. Unterwegs konnte man höchstens mal bei einen Bauernfuhrwerk oder einem Kaufmannswagen kurz aufsitzen oder das Gepäck auf einem Fuhrwerk absetzen. Das erhöhte zwar nicht das Tempo aber es erleichterte die Last.


Zupackend war Hans Georg auch bei seiner wirtschaftlichen Planung. Er besaß 1687 ein zweistöckiges Haus mit Scheune, bewirtschaftete 38 Morgen Ackerland, 1 Morgen Wiese und 2 Morgen Weinberg. Garten- und Ödland ergänzten seinen Eigenbesitz. Außerdem bewirt-schaftete er zusammen mit Jacob Mayle den zweiten Venningschen Hof. Hier waren 25 Morgen Ackerland bebaut. Wenn die beiden Pächter hälftig aufgeteilt hatten, kamen zu den 38 Morgen Eigenbesitz noch ca 12 Morgen Pachtland dazu, so dass Hans Georg über eine ansehnliche Betriebsgröße verfügte. Er galt als der zweitgrößte Bauer in Dühren. Das führte auch dazu, dass er Bürgermeister werden konnte und längere Zeit Mitglied des Gemeinderats war.

Nach dem Tod von Anna Hägi heiratete Hans Georg ein weiteres Mal am 25. November 1673. Wieder hatte er sich eine Schweizerin erwählt. Maria Spleiß war in Schaffhausen geboren. Bei der Hochzeit war der Vater Hans Jacob Spleiß bereits gestorben. Über die Mutter und den konfessionellen Hintergrund der Maria ist nichts festgehalten. Auch von den drei Kindern des Ehepaars sind nur Name, Geburtsdatum und Paten überliefert: Anna Maria (* 04.11.177) Eleonore Ester (* 02.02.1679) und Juliana Margaretha (*20.06.1681). Nur bei der letzteren ist vermerkt, dass sie mit 23 Jahren am 22.01.1704 ledig verstorben ist.


Hans Georgs Tochter Anna Catharina und ihr Mann Jost Schwab sind Stammeltern des zahlreichen amerikanischen Swope – Clans. Mitglieder dieser Familie haben die Familiengeschichte intensiv erforscht. Aus der Broschüre „The Swope Family“ seien hier einige Passagen wiedergegeben:
„Jost Schwab, our American ancestor, son of Georg and Margaretha (Zimmermann) Schwab grew up in Sinsheim and became a baker as did his brother, Georg Albrecht. On the 17th of May 1681 when he was twenty-five years old, Jost married his betrothed, the seventeen years old Anna Catharina Wolfhardt, in the beautiful Choir Room of the Lutheran Church at Dühren, a village near Sinsheim. Jost was a member of the Reformed Church in Sinsheim. Anna Catharina, born 9 October 1663, was the daughter of the Mayor of Dühren, Hans Jorg Wolfhardt/Wohlfahrt and his wife, Anna Haagen. Her grandfather, Georg Johann Wolfhardt/Wohlfahrt, was the minister of the Lutheran Church in Dühren during the Thirty Years War. Her father, Hans Jörg was born in the Steinsberg Fort (…), where his father, Georg Johann, had taken his family for Protection.Jost and Catharina settled down in Dühren, where he earned his living as a baker. For almost twenty one years the family lived in Dühren and six of their Children were babtized in the Lutheran Church there….

In 1702 Jost moved his family to Leimen where they enrolled as citizens the 27th April 1702….Jost Schwab, his family, and possibly other relatives are believed to have departed from Leimen for the trip down the Rhine to the sea in May 1720. We do not know how many of the children came to America with Jost…. The earliest record of the family in America that has been discovered appears on the Assessment Rolls of Conestoga Township…. On this roll is the name of John “Swoape”. The Swopes as other settlers on what was then the frontiers, had much to contend with in privations incident to a life in an uncultivated wilderness, …”


Anna Catharinas jüngerer Bruder war Georg Heinerich (*28.11.1667). Er heiratete am 17. 02. 1691 Dorothea Nahum aus Sinsheim. Es war die schwerste Zeit des Pfälzischen Erbfolgekriegs. Französische Truppen waren in die Pfalz eingefallen. Schon 1689 hatten sie Dörfer südlich von Heidelberg niedergebrannt und die Bevölkerung vertrieben. Die beiden Söhne des jungen Ehepaars wurden in dieser Schreckenszeit geboren und sie verloren ihre Eltern schon früh; den Vater vor 1706, die Mutter vor 1709. Da der Onkel Alexander Wolfhard in Dühren ebenfalls schon gestorben und der Großvater Hans Georg schon alt war, haben wahrscheinlich Jost und Anna Catharina Schwab die Kinder aufgenommen und nach Leimen gebracht. Der Ältere, Johannes, lernte bei seinem Onkel das Bäckerhandwerk und übte es nach der Ausreise von Onkel und Tante in Altwiesloch und Baiertal aus. 1739 folgte er den Schwabs und schiffte am 3. 09.1739 in Philadelphia aus der „Friendship“ aus. Johannes Wolfhard ist wahrscheinlich der erste Wolfhard in der Neuen Welt.

Mit Datum vom 21. März 1699 berichtet Hans Georg Wohlfard von einem kuriosen Vorfall, der sich im Pfarrdienst seines Vaters ereignet hatte: Pfarrer Georg Johann Wohlfard, der Wanderpfarrer, hatte viele Jahre lang die Pfarrei Rohrbach nach der Ordnung der Augsburger Konfession mitversehen, bis man ihm das verboten hatte. Als daraufhin die Rohrbacher Eltern ihre Kindern zur Taufe nach Dühren brachten, hat man sie bei Sinsheim abgefangen und mit Gewalt zur reformierten Taufe nach Sinsheim gezwungen. Der Unterschied zwischen dem reformierten Protestantismus der Kurpfalz und dem lutherischen der ritterschaftlichen Orte wurde für so bedeutend betrachtet, dass man vor dieser innerprotestantischen Gewalt nicht zurückschreckte. Auch der Pfarrer von Hoffenheim bestätigte, dass Georg Johann nach 1650 viele Jahre lang auch Rohrbach mitversehen habe. Ein Ende dieses Dienstes wird weder bei ihm noch bei Hans Georg genannt. Der Konflikt scheint mit der Einsetzung eines reformierten Pfarrers in Rohrbach entstanden zu sein.

Unterschrift des Hans Georg Wohlfart unter dem Rohrbach-Bericht.

Die zweite Ehe des Hans Georg Wolffhart mit Maria geb. Spleiß endete 1708. Die Frau starb am 03. September. Am 02. Juli 1709 heiratete Hans Georg ein drittes Mal und zwar die Witwe Elisabeth Lersch. Hans Georg war inzwischen 69 Jahre alt. Die Ehe dauerte nur vier Jahre.

 Hans Georg starb am 17. Januar 1712 im Alter von 72 Jahren.